The Elephant In The Room
„The elephant in the room“ ist eine englische Redewendung, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass das wesentliche Problem, das allen bekannt ist, nicht angesprochen wird.
Genau dies ist bei der wohl bisher prominentesten Podiumsdiskussion zur Finanz- und Bankenkrise, nämlich der Veranstaltung von Bündnis90/Die Grünen am 28. Mai 2013 im Haus am Dom „Boring Banking – Vom Bankbeamten zum Investmentbanker – und zurück?“ passiert.
Die beiden Podiumsrunden am Vormittag und am Nachmittag waren höchstrangig besetzt.
Zum Thema „Brauchen wir einfachere Bankenregeln?“ diskutierten Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands Deutsche Bundesbank und Dezernent für Finanzstabilität, Andy Haldane, Executive Direktor for financial Stability der Bank of England, Anshu Jain, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG und Gerhard Schick, MDP Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher für Finanzpolitik.
Die Diskussionsrunde am Nachmittag zu dem Thema „Die Europäische Bankenunion – welche Gemeinschaftssysteme sind zusätzlich notwendig?“ bestand aus Jörg Asmussen, Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB), Ludgar Gooßens, Geschäftsführendes Vorstandmitglied Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und Thomas Losse-Müller, Staatssekretär im Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein.
Erste Runde
Nach Abschluss der ersten Podiumsdiskussion gab es Gelegenheit, Fragen zu stellen. Wirtschaftsanwalt Hans Scharpf erlaubte sich mit dem Einleitungssatz „I would like to adress the elephant in the room“ das Podium zu fragen, ob Geschäftsbanken Geldschöpfung aus dem Nichts betreiben, falls dies der Fall ist, ob dies reguliert werden solle und wenn ja, mit welcher Zielsetzung.
Die Frage „beantwortete“ als einziger aus dem Podium der Co-Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain. Er bedankte sich zunächst dafür, dass die Frage so direkt gestellt worden war und bemerkte, dass es eine sehr gute Frage sei.
Dann führte er aus, dass er das Kreditgeschäft der Deutschen Bank seinen zwei Söhnen immer so erklären würde, dass die Deutsche Bank die (Spar)einlagen ihrer Kunden zur Kreditvergabe verwenden würde („we are turning savings into capital“).
Diese Antwort trug ihm später die etwas süffisante Bemerkung von Herrn Gooßens, Geschäftsführendes Vorstandmitglied Deutscher Sparkassen- und Giroverband ein, dass ihn doch etwas überrascht habe, zu hören, dass die Deutsche Bank wie eine Sparkasse arbeitet.
Die Folgefragen mussten folglich nicht beantwortet werden: Wenn es keine Geldschöpfung aus dem Nichts durch Geschäftsbanken gibt, muss sie auch nicht geregelt werden. Den Elefanten gibt es also nicht, jedenfalls wurde er bei der Deutschen Bank von Anshu Jain noch nicht gesehen, obwohl er doch zumindest indische Elefanten kennen sollte.
Nun weiß jeder, der sich mit dem Thema Geldschöpfung beschäftigt hat, dass etwa 95 % des (Buch)Geldes, welches die Geschäftsbanken ihren Kreditkunden verleihen, von den Geschäftsbanken selbst durch eine simple Buchung mit Bilanzverlängerungseffekt erzeugt wird, was im Wesentlichen auch erklärt, wie Banken so reich und mächtig werden konnten. Wenn die Deutsche Bank ihr Kreditgeschäft so betreiben würde, wie Herr Jain es seinen zwei Söhnen erklärt, wäre er mit Sicherheit nicht Co-Vorsitzender der Deutschen Bank AG geworden, sondern Hartz IV-Empfänger.
Die Geldschöpfung ist auf unsachgemäße Buchhaltungsregeln und deren falsche Interpretation zurückzuführen! Dies wird im offenen Brief eines international anerkannten Wirtschaftsprüfers mit der "Aufforderung zur Überarbeitung der Buchhaltungsvorschriften" bestätigt.
Natürlich steht es jedem frei, die richtige Antwort zu geben, möglicherweise auch noch mit dem Zahlengerüst der Deutschen Bank über ihr Kreditgeschäft.
Ein Tipp: Kreditierungsvolumen mit Bargeld/Zentralbankgeldbeständen vergleichen.
Dabei gilt es zu beachten, dass möglicherweise sogar ein Teil des Kreditgeschäftes der Deutschen Bank so abläuft, wie Herr Jain es geschildert hat.
Er hat allerdings vergessen zu erwähnen, dass dieser Teil des Sparkassenkreditgeschäftes der Deutschen Bank nur ca. 3% oder 4 % des Gesamtkreditgeschäftes ausmacht, welches die Deutsche Bank vorzugsweise mit selbstgeschöpften Geld betreibt.
Was sagt uns das?
Wenn wir Herrn Jain unterstellen, dass er genauestens Bescheid weiß, auch über den Teil des Kredit- und Investmentgeschäftes, der mit eigen geschöpften Geld betrieben wird, dann möchte er mit dieser Art von Kredit- und Investmentgeschäft weitermachen.
Dies bedeutet, dass zumindest die Buchgeldmenge weiter ausgeweitet wird. Die Inflations- und Blasenbildungsgefahr, insbesondere auf den sogenannten Asset-Märkten (Immobilien, Aktien) wird zumindest nicht verringert. Weiterhin müssen Kreditkunden für „Thin Air“ Zinsen bezahlen und Realsicherheiten stellen. Sie würden diese Zinsen nicht bezahlen und schon gar nicht Grundschulden als Sicherheiten stellen - noch wahrscheinlicher -, sie würden gar keinen Kredit von der Deutschen Bank aufnehmen, wenn sie wüssten, dass sie sich solch einen Kredit auch genauso gut selbst geben könnten, würde sich über ihrer Haustür das Schild "Bank" befinden. Denn im Tresor, der inzwischen sowieso viel zu groß ist für das wenige Bargeld, das noch vorgehalten werden muss, liegt als wertvollstes Asset nur eine Banklizenz. Ein Stück Papier also, was allein den Unterschied macht.
Wie die Geldschöpfung der Geschäftsbanken über eine Kreditvergabe funktioniert, ist im GHZ-Themenpapier "Es werde Geld!" genauer beschrieben (siehe "1. Geldschöpfung über Kredite")
Da Herr Jain so schön einfach das Schreckgespenst der Geldschöpfung aus dem Nichts verjagt hatte, musste das hochkarätige Panel auch nicht auf Teil 2 oder Teil 3 der peinlichen Inquisition eingehen.
Das Panel konnte sich also erleichtert der nächsten Frage zuwenden, die hinreichend fachlich und unverständlich auf Details von Bankregulierungsaspekten im vorgegebenen Rahmen einging.
Runde Zwei
Auch nach Abschluss der Diskussion der zweiten Podiumsrunde am Nachmittag, die eine eher europäische Perspektive der Bankenregulierung zum Thema hatte, war es möglich, nach deren Abschluss Fragen zu stellen.
Wiederum stand Wirtschaftsanwalt Scharpf auf und befragte diesmal das Podium zu dem Problem der Geldmengenausweitung, wobei er ausführte, dass es dort zu einer Blase bei der Buchgeldmenge gekommen ist, die auch bei vielen Bankern als das größte Problem bei der Bewältigung der Finanzkrise angesehen wird. Er stellte dann die Frage, ob denn diese Blase mit Billigung der Aufsichts- und Regulierungsbehörden entstanden ist und wie man diese in den Griff bekommen könne.
Die Frage war noch unschöner als die erste Frage nach der Geldschöpfung aus dem Nichts. Es schauten sich alle gegenseitig auf dem Panel an und dann gemeinsam auf Herrn Asmussen, der diese nicht in der Öffentlichkeit beantwortbare Frage zur Beantwortung übernahm.
Herr Asmussen gestand ein, dass die Zentralbankgeldmenge, unter Fachleuten M0 genannt, von der EZB erheblich ausgeweitet worden sei zwecks Bewältigung der Krise, allerdings davon keine Inflationsgefahr ausgehen würde. Er kam dann noch auf die Geldmenge M3 zu sprechen. Die sei nur noch geringfügig gewachsen. Ein weiteres Wachstum würde nicht zugelassen, eine Inflationsgefahr ginge davon nicht aus.
Herr Asmussen vermied, auf die Abgrenzung von Zentralbankgeld und Buchgeld einzugehen, da er dann über den Euro-Elefanten gesprochen hätte, der mittlerweile das unvorstellbare Gewicht von ca. 9 Billionen Euro erreicht hat.
M 0 ist ja dagegen eine Maus mit gerade mal ca. 0,9 Billionen (wobei gerade mal 0,035 Billionen davon die überdimensionierten Banktresore füllen).
Der gefährlichste Elefant, der logischerweise von Herrn Asmussen gänzlich ignoriert wurde, heißt in diesem Zusammenhang M1, also die liquide Buchgeldmenge (sogenannte Sichteinlagen, also Euro-Guthaben von Nichtbanken, sprich Bankkunden, bei Geschäftsbanken), die etwa eine Größenordnung von 4 Billionen Euro erreicht hat (abzügl. M 0). Die sollte man ja theoretisch jederzeit in Bargeld tauschen können, was aber nicht vorhanden ist, jedenfalls nicht bei den Banken. Deren Tresore sind ja bekanntlich (fast) leer. Allerdings sind die Bilanzen ordentlich geschönt mit den erschlichenen Realsicherheiten, die man ja auch noch schön zu Wertpapierpaketen (z.B. "soliden" Pfandbriefen) verschnürt hat, um die Erträge aus dem Kreditgeschäft, also der Schuldnerknechtung noch zu vervielfachen.
Herr Asmussen, der dies alles genauestens weiß, ist also auch nicht in der Lage, über den Elephanten in der Öffentlichkeit zu sprechen. Er weiß nämlich auch nicht, wie man diesen Elephanten in den Griff bekommen sollte.
Prof. Richard A. Werner erläuterte im Juni 2012 die Geldschöpfung auch für J. Asmussen ab Minute 35:30.
Das darf natürlich nicht eingestanden werden, jedenfalls solange nicht, solange noch Banken- und Staatsrettung durch EZB-Kredite (auch Anleihekäufe genannt) betrieben wird, also ebenfalls Geldproduktion aus dem Nichts, wenn auch etwas besser legitimiert als die Geldschöpfung der Geschäftsbanken, die gänzlich ohne Rechtsgrundlage auskommt.
Die Hintergründe und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Geldmengen sind im GHZ-Themenpapier "Es werde Geld!" genauer beschrieben! (siehe "3. Geldschöpfung und Geldmenge")
Fazit:
Die Antworten von Anshu Jain und Jörg Asmussen, den derzeit führenden Persönlichkeiten im Banken- und Reguliererbusiness, waren intellektuell unredlich und politisch betrachtet ein Ablenkungsmanöver. Denn an der Kompetenz der beiden Herren ist nicht zu zweifeln. Zweifelhaft ist, wofür sie ihre Kompetenz einsetzen, und zwar sowohl unter ethischen, (verfassungs)rechtlichen als auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Die Auswirkungen dieser Politik der Verdrängung des Elephant in the room sind dramatisch. Sie befördert damit nach wie vor ein System der Umverteilung gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtums von unten nach oben ohne dass das Oben diesen Reichtum für das Gemeinwohl einsetzt oder einsetzen muss und unterstützt zerstörerisches Wachstum statt nachhaltigem Wirtschaften.
Der Druck auf die Verantwortlichen muss also dringend erhöht werden, damit endlich „The Elephant in the room“ zum Hauptthema bei der Bewältigung der Bank- und Finanzkrise wird. Also „Geldhahn zu!“, und zwar solange, bis endlich das Ruder herumgerissen wird und wir nicht mehr auf den Eisberg zusteuern.
Nachwort
In der Symposiumsveranstaltung von Bündnis90/Die Grünen am 12.12.2014 "Der Weg zu einem besseren Finanzsystem" hob Adair Lord Turner, Vorsitzender der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde von 2008 bis 2013 und Direktoriumsmitglied der Bank of England, ausdrücklich hervor, dass der Weg zu einem besseren Finanzsystem nur beschritten werden kann, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass private Banken Geld schöpfen und nicht Geld verleihen. Auch die in der Veranstaltung anwesenden Chef-Volkswirte der KfW und der Helaba wussten es jetzt. Vielleicht hatte insoweit auch Prof. Thomas Mayer, ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank, den Boden für diese entscheidende Erkenntnis bereitet.
Lord Turner hat in seiner denkwürdigen Key-Note auch erklärt, wie in dem jetzigen Fiat Money-System die russischen Oligarchen entstanden sind.
Jetzt müssten nur noch die Kunden und normalen Buchgeldnutzer von diesem Erkenntnisgewinn profitieren, zum Beispiel durch Einstellung von Vollstreckungen aus Grundschuldbestellungsurkunden (wie bereits in Spanien) und Reduzierung der Zinsschulden, z.B durch Verrechnung mit Tilgungsforderungen, damit auch der normale Bürger und Mittelständler endlich etwas Luft bekommt und sich von der Bankenrettung erholen kann.
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Dann wird 2015 ein tolles Jahr, für alle
wie denn? außer nackter Gewalt, also dann vermutlich erst, wenn der Masse das Wasser bis zum Hals und etwas höher steht.